Ökonomische Ursachen der europäischen Krise

Sie haben es getan. Die Briten wollen Europa den Rücken kehren. Die Anführer des Brexit (Johnson und Farage) haben sich in die Büsche geschlagen und überlassen den Anderen die Aufräumarbeiten. Die Hysterie vor den befürchteten Folgen eines solchen Schrittes beförderte die Börsen erstmal talwärts. Wir sind jedoch überzeugt, dass die wirtschaftlichen Folgen geringer sein werden, als mancher besorgte Analyst dies als Horrorszenario an die Wand malt.

Während zumindest die Börsen anzeigten, dass die wirtschaftlichen Folgen zunächst gering bleiben, dürften die politischen Folgen jedoch ungleich größer werden. Europa muss sich fragen, wie die zunehmend kritische Haltung der Bürger zur EU, der Drift zu den politischen Rändern bzw. zum Nationalismus zu erklären ist. Wir kommen darauf zurück.

Wirkung der EZB Politik verpufft ohne fiskalische Unterstützung

Festzustellen ist, dass die extrem expansive Politik der Zentralbanken bestenfalls schlimmeres verhütet hat, eine positive Wirkung hinsichtlich Investition und Beschäftigung dürfte nicht mehr zu erzielen sein. Die Erwartung, dass mit fallendem Zins Investoren bereit seien zu investieren und damit die Wirtschaft in Gang zu bringen ist auch in normalen Zinsphasen empirisch wenig zu belegen, erst recht ist sie in einer sog. „Liquiditätsfalle“ zum Scheitern verurteilt. Der Jahrhundertökonom Keynes bezeichnete mit dem Begriff Liquiditätsfalle die Situation einer Volkswirtschaft, in der die offiziellen Zinssätze soweit gegen null gefallen sind, dass die herkömmliche Geldpolitik versagt.

Unternehmen werden dann investieren, wenn sie erwarten, dass die Nachfrage bei den Konsumenten so hoch ist, dass sich ihre Investition mit erhöhtem Absatz auch auszahlt. Offensichtlich ist die Nachfrage aber nicht ausreichend. Wenn sich also Unternehmer und Konsumenten zurückhalten, ist es unerlässlich, dass der Staat fiskalisch aktiver wird und Investitionen anschiebt. Wie die Empirie zeigt, helfen hier Direktinvestitionen (Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung) mehr als Steuererleichterungen.

Warum sich Europa insgesamt, vor allem aber die Bundesregierung bei einem ökonomisch so eindeutigen Befund damit so schwertut, bleibt wohl ihr Geheimnis. Erst wenn Schritte zur fiskalischen Offensive in Europa eingeleitet werden, verbessern sich die Aussichten der Unternehmen auf höheren Ertrag und auch die Zinsen werden wieder steigen. Von besonderer Bedeutung ist es aber die Ursachen der Nachfrageschwäche zu identifizieren und zu beseitigen.

Erosion der EU beschleunigt sich

Dass die Europäische Union sich derzeit in der schwersten Krise ihres Bestehens befindet, dürfte nach dem Brexit inzwischen jedermann klar sein. Dies hielt manche Protagonisten nicht davon ab, als Antwort schnellstmöglich mehr Integration zu fordern. Andere kamen kurz nach dem Referendum auf die ungeheuer kluge Idee, das als gemischtes Abkommen verabredete Freihandelsab-kommen mit Canada (CETA) kurzerhand an den einzelnen staatlichen Parlamenten vorbei zu verabschieden. Dass man sich dies nun doch anders überlegt hat, war dann wirklich nicht mehr zu erwarten.

Der Brexit ist dabei kein Auslöser der Krise in Europa, sondern die Folge. Doch wie ist die zunehmend kritische Haltung der Bürger zur EU, der Drift zu den politischen Rändern bzw. zum Nationalismus zu erklären?

Es sind in den Jahren nach der Finanzkrise vielfältige Uneinigkeiten sichtbar geworden. Von einer einheitlichen solidarischen Haltung beim Umgang mit den von der Finanzkrise gebeutelten Staaten kann nicht die Rede sein und auch in der Migrationskrise macht jeder Staat, was ihm aus nationalen Erwägungen opportun erscheint. Dann gibt es die aus der Sicht der Bürger abgehobene Kaste der Eurokraten, die sich wenig um die Belange der Bürger scheren, sondern nur Ihrer Karriere und den Konzernen dienen. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Eindruck der Regierten richtig oder falsch ist, es zählt alleine die Wahrnehmung.

Und selbst den Befürwortern eines einigen Europa fällt es schwer dies alles zu verteidigen. Das Europa der Technokraten wendet sich ab von der Demokratie. Beredtes Beispiel ist die Handhabung der Freihandelsabkommen. Geheim, undurchsichtig, abenteuerliche Gutachten zur Sinnhaftigkeit.

In diesem Sinne sei die Überlegung gestattet, ob der Brexit nicht ein heilsamer Schock sein kann, der die Eurokraten vielleicht geweckt hat und zur Besinnung bringt. So könnten mit einem Neustart die ursprünglichen Ziele zum Nutzen der Bürger Europas (nicht der Konzerne) wieder in Erinnerung gerufen werden.

Könnte es sein, dass sich viele Menschen abgehängt fühlen? Könnte es sein, dass sie nicht nur so fühlen, sondern tatsächlich abgehängt sind? Und falls dem so ist, dürfte es für geschulte Demagogen ein Leichtes sein, die Schwachen in unserer Gesellschaft gegen die Schwächsten (Flüchtlinge, Ausländer) auszuspielen.

„It´s the Economy, Stupid.

„Es ist die Wirtschaft, Dummkopf“. Mit diesem Wahlkampf-Slogan gewann Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. Clinton war ein schlauer Wahlkämpfer und mit dem Versprechen auf wirtschaftliche Teilhabe gewann er zweimal die Präsidentschaftswahlen.

Wir gehen im Folgenden der Frage nach, warum dies weitgehend nicht gelungen ist und erläutern warum sich die Verteilungsfrage mehr denn je stellt. Schließlich versuchen wir damit auch zu klären, warum trotz Nullzins niemand bereit ist zu investieren und beantworten die Frage, warum Europa in Wachstumsschwäche und Deflationstendenz verharrt.

Kurz möchten wir daher nochmal über den historischen Rückblick ausführen, wie sich Wirtschaftstheorie und damit auch wirtschaftspolitische Ansätze verändert haben und damit sehr massiv in Wachstumserzeugung und vor allem Verteilung eingegriffen haben.

Als die bis in die siebziger Jahre vorherrschende wirtschaftstheoretische Grundlage, nämlich nachfrageorientierte Politik (sog. Keynesianismus), auch aufgrund fehlerhafter Interpretationen in die Krise geriet, machte man sich nicht etwa daran, die Fehler der zuvor sehr erfolgreichen Strategie auszumerzen, sondern schüttete das Kind mit dem Bade aus. Man schwenkte vollständig zur Angebotspolitik (Monetarismus, Neoklassik, Neoliberalismus) über und glaubte damit die Staatshaushalte konsolidieren zu können sowie mittels Lohnmoderation und Geldmengensteuerung die Inflation in den Griff zu bekommen. Besonders Thatcher und Reagan sowie in Deutschland Graf Lambsdorff waren die politischen Wegbereiter dieser Theorien, die auf Freihandel, Deregulierung und Liberalisierung setzten. Sie erwarteten über diesen marktbasierten Weg hohe Wachstumsraten und hohe Beschäftigtenzahlen bei niedriger Inflation erzeugen zu können.

Die nachfolgenden Tabellen zeigen die Entwicklungen wichtiger Kennzahlen speziell in den USA von 1998 bis 2013. Während die offiziellen Arbeitslosenraten ähnlich lagen wie zu Beginn, dokumentiert sich an den Erwerbsquoten, dass sich die Arbeitslosigkeit tatsächlich verdoppelt hat, denn es sind 4,5% weniger Leute erwerbstätig. Die Inflationsrate hat sich disinflationär entwickelt, der Zins ist um 5% gefallen, die Staatsschulden sind 3,5-mal so hoch wie zuvor. Dies ist gleichbedeutend mit einer 3,5-fachen Ausweitung des Vermögens und dies wird auch dokumentiert durch die Verdreifachung der Geldmenge.

Die Teilhabe am Vermögenswachstum hat sich allerdings in eine ganz und gar andere Richtung entwickelt, wie dies Politiker in Wahlkämpfen gerne verlauten lassen. Alleine in den Jahren von 1998 bis 2013 haben sich die sowieso schon beträchtlichen Vermögen der obersten 10% in den USA um fast 75% erhöht. Von der Mittelschicht bis zur unteren Schicht abwärts sind dagegen die vergleichsweise schmalen Rücklagen nochmals um 20-50 % gesunken.

Die Zahlen für Deutschland und Europa unterscheiden sich in der Grundtendenz nicht von denen der USA. Das deutsche Vermögens- und Unternehmenseinkommen wuchs in den letzten 15 Jahren 3,5-mal schneller als das Arbeitnehmereinkommen.

Fast man die 35 Jahre seit der Strategieänderung zum Neoliberalismus zusammen, so ist festzustellen, dass bis heute die angestrebten Erfolge nicht nur ausgeblieben sind, im Gegenteil haben sich die Fakten deutlich verschlechtert. Die Ideologie hat, empirisch vielfach belegt, unglaublichen Schaden aufgetürmt.

In den westlichen Industrienationen hat sich seither

  • die Arbeitslosigkeit im Schnitt mehr als verdoppelt,
  • die Staatsverschuldungsquote fast verdreifacht,
  • die Privatverschuldungsquote nahezu versechsfacht,
  • das Wachstum hat sich halbiert und
  • vom Wachstumskuchen landet das meiste beim oberen Prozent.

Die bürgerliche Mitte ist abgehängt, die Habenichtse haben noch weniger und da ist es nur logisch, dass diese Gruppen befürchten, durch Zuwanderung noch mehr abgeben zu müssen.

Doch nicht nur die Industrienationen sind mit dieser fehlerhaften ökonomischen Ideologie unter die Räder geraten. Die sogenannten Schwellenländer in Afrika und Südamerika treten seit 30 Jahren auf der Stelle, denn sie haben den Fehler gemacht Freihandel, Auslandskapital und Technologietransfer zuzulassen. Eine bessere Idee hatten die meisten Asiaten. Nicht Freihandel, sondern staatliche Industriepolitik und Schutz der eigenen Märkte haben viele Weltmarktführer hervorgebracht und einen wachsenden Mittelstand ermöglicht.

Dennoch hat sich trotz all der Misserfolge die neoliberale Ideologie in die Hirne selbst der Sozialdemokratie, der Gewerkschaften und der Grünen und leider auch der Vertreter der Medienlandschaft implementiert. Seit 2010 warnen wir vor den absehbaren Misserfolgen der dieser Idee folgenden Eurorettungspolitik in unseren Marktberichten. Die realen Ergebnisse in Europa sind sowohl wirtschaftlich wie politisch desaströs, aber man macht weiter wie zuvor.

Der österreichische Ökonom Stephan Schulmeister resümiert ernüchtert: „Der Neoliberalismus stellt das erfolgreichste Projekt der Gegen-Aufklärung, der Entmoralisierung und der (Selbst)Entmündigung der Politik dar – groteskerweise im Namen der Freiheit des Menschen.“ Freier wurden jedoch nur die Finanzmärkte und die sich fatalistisch selbstbeschränkende Politik gefällt sich im Gestalten von „marktkonformer Demokratie“.

 Die schwarze Null – nächster Akt

Die Unbeirrbarkeit mit der insbesondere die Wirtschaftspolitik Deutschlands und der EU weitergeführt wird, dokumentiert die jüngste Blaupause aus dem deutschen Finanzministerium. Dieses stellt Überlegungen darüber an, wie die EU nach dem Brexit zu reformieren sei. Mit der Idee unsolide Haushalte der Euro-Staaten durch eine neue EU Organisation zurückweisen zu können, dokumentiert Schäuble nicht nur mangelndes Demokratieverständnis (Diktat aus Brüssel), sondern auch seine seit Jahren unlogische Argumentation.

Alle Staaten der EU sollen die „schwarze Null“ anstreben, denn Unternehmen investierten nur, so die oben zugrundeliegende Annahme, wenn es Vertrauen in solide Staatsfinanzen gäbe. Hier dokumentiert sich der Glaube an das doch schon 200 Jahre alte „Ricardianische Äquivalenztheorem“. In diesem wird behauptet, dass Unternehmen nur dann investieren würden, wenn der Staat nicht übermäßig verschuldet sei, denn im anderen Falle würden Steuererhöhungen zu späteren Zeitpunkten die unausweichliche Folge sein. Nun, dieses 200 Jahre alte Theorem wartet bis heute auf empirische Evidenz und es gibt eine unübersehbare Zahl an wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Theorem. Aber was kümmert einen die Realität, wenn einem das Theorieaxiom so gut gefällt.

Bei diesem Vorschlag wird der nachfolgende sehr einfach zu verstehende Zusammenhang vollkommen außer Acht gelassen und scheitert damit schon im Ansatz an seiner mangelnden Logik:

Entnommen aus: Makroskop

Im Jahr 2015 haben in Deutschland die privaten Haushalte gut 140 Mrd. € gespart und auch die Unternehmen haben nicht investiert, sondern ebenfalls fast 100 Mrd. € gespart (zusammen über 8% vom Sozialprodukt). Weil die Summe der Finanzierungssalden (siehe Chart) logischerweise zu jedem Zeitpunkt den Betrag von 0 € ergeben, braucht es einen anderen Sektor, der diese 240 Mrd. € an Ersparnissen durch Kredite absorbiert.

Der Staatssektor darf nicht absorbieren, denn der verfolgt das Ziel der „schwarzen Null“. Also muss sich das Ausland und zum großen Teil auch das EU Ausland verschulden. Das alleine wirkt schon zerstörerisch für den Erhalt des Euro. Nun soll aber das Ausland auch keine Schulden mehr machen. Wer absorbiert dann unsere Ersparnisse? Und wir sollen ja kräftig sparen, schließlich predigt man uns ohne Unterlass, dass unsere Altersvorsorge gefährdet sei. Nein mit Voodoo Ökonomik á la Schäuble kommen wir nicht weiter.

Welches Vertrauen Finanzinvestoren wie Versicherungen, Fonds und Pensionskassen in einen Staat haben, dokumentiert sich in der Höhe des Zinses, den sie bereit sind für Staatsanleihen zu zahlen. Ist dieser Zins hoch, ist das Vertrauen niedrig. Ist umgekehrt das Vertrauen hoch, ist der Zins niedrig oder wie aktuell in zahlreichen Ländern gar negativ.

Wenn Investoren bereit sind sogar dafür zu zahlen, um das ihnen anvertraute Geld anzulegen, dann ist mangelndes Vertrauen offensichtlich nicht das Problem.

Aber die Unternehmen investieren trotzdem nicht und sparen lieber. Sie tun es nicht, weil die Absatzchancen nicht da sind, weil das Einkommen der Masse fehlt, weil die Nachfrage unzureichend ist. Der Austeritäts- und Sparwahn, garniert mit einer extremen Schiefe in der Vermögensverteilung, das müsste man inzwischen kapiert haben, bringt nicht nur nichts, sondern vergrößert das Problem. Selbst der IWF, der das Austeritäts-Mantra über Jahrzehnte predigte, hat in zahlreichen Reihenuntersuchungen jüngst bestätigt, dass die verfolgte Politik kontraproduktiv ist. Das Festhalten an einer Wirtschaftstheorie mit einer derart desolaten Bilanz ist mehr als nur zu hinterfragen. Es gibt definitiv bessere Lösungen.

Lösungen zur Vermögens-, Schulden- und Wachstumskrise

Die Änderung der Wirtschaftsideologie Ende der 70er des letzten Jahrhunderts stellte die Marktprozesse in den Mittelpunkt allen wirtschaftlichen Handelns und trachtete danach staatliche Eingriffe unter allen Umständen auf ein Minimalmass zu reduzieren. Diese sehr radikale ökonomische Position gilt erstaunlicherweise heute immer noch als in der politischen Mitte angesiedelt. Innerhalb dieser Theorie war man überzeugt, dass die Märkte in nahezu allen Lebensbereichen effizientere, produktivere und wirtschaftlichere Ergebnisse lieferten. Der Glaube an die Weisheit des Marktes weist religiöse Züge aus.

Offensichtlich hatte man bei dieser Position die reale Wirtschaftshistorie außer Acht gelassen. Der sehr hellsichtige österreichische Wirtschaftshistoriker und Soziologe Karl Polanyi (1886-1964) verarbeitete in seinem Hauptwerk „The Great Transformation“ (1944), die Erfahrungen der Großen Wirtschaftskrise von 1929/30 und stellte fest, dass man die „fiktiven Waren“ Geld, Mensch und Natur niemals dem Markt überlassen dürfe, wenn man nicht die Zerstörung der Gesellschaft riskieren will.

Polanyi´s damalige Feststellung hat sich auch in den letzten 40 Jahren immer wieder bestätigt. Während für Industriegüter die Markttheorie weitgehend bestätigt werden kann, unterliegen naturnahe Güter (Rohstoffe, Agrarprodukte), Immobilien und auch Finanzprodukte immer wieder heftigen Spekulationen und damit extremen Preisscharaden. Marktpreise bei der Lohnfindung zu etablieren endet zumeist in Lohndumping und damit in Stagnation.

Es scheint so, dass die Weisheit der Marktprozesse überhöht wird. Tatsächlich ist der Markt sehr nützlich, denn über Angebot und Nachfrage finden Käufer und Verkäufer eines Produktes oder einer Dienstleistung zusammen und einigen sich über einen Preis. Welche Wirkung diese Einigung auf Dritte hat, muss den beiden weder klar sein, noch muss es sie interessieren. Eine Ordnungsfunktion etwa einer staatlichen Instanz, ist dann notwendig, wenn Dritte, die an der Transaktion nicht beteiligt sind, aufgrund des oben beschriebenen Marktprozesses Schaden nehmen. Eigentlich eine triviale Feststellung.

Dass der Markt dennoch als heiliger Gral, als Ideologie oder gar als Religion verstanden wird, ist aufgrund der Ergebnisse kaum nachzuvollziehen. Betrachtet man diese Haltung aber aus anderer Sicht, so kann sie plausibel sein.

Wirtschaftspolitik ist interessengeleitet und so ist auch die Angebotsorientierung derselben als Herrschaftsinstrument zu verstehen. Es geht dabei um eine gesellschaftspolitische Grundsatzfrage, nämlich der nach der Verteilung. Nicht der wissenschaftliche Diskurs, sondern der politische Prozess entscheidet deshalb, welchen Stellenwert etwa die Beschäftigungs- oder Verteilungspolitik einnimmt. Und es erscheint viel leichter die Angebotstheorie beim Publikum durchzusetzen, denn jedem leuchtet das Ideal der „sparsamen schwäbischen Hausfrau“ ein. Die Erklärung hingegen, warum das vernünftige Verhalten eines Privathaushalts nicht auf den Staat übertragen werden kann, erfordert tiefergehende Kenntnisse der Makroökonomie.

Die heute verbreitete Haltung, dass alle Wirtschaftsgüter dem Markt zu überlassen seien, beruht somit auf einem logischen Fehlschluss, nämlich des „Fallacy of Composition“ (Trugschluss der Verallgemeinerung). Es wird die Logik, die nur für einen Teil gilt, auf das Ganze übertragen. Beispiel: Eine Blume besteht aus Atomen – Atome sind farblos – ergo wäre die Blume nach dieser Logik farblos. Derartige Fehlschlüsse, das wissen wir seit Aristoteles, sind scheinbar unausrottbar.

Wirtschaftstheorie ist somit keine über den gesellschaftlichen Interessen schwebende, „neutrale“ Wissenschaft, sondern ein politisches Konstrukt, das jeweils ganz bestimmten ökonomischen Interessen dient.

 

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