Der langjährige deutsche Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble genießt einen tadellosen Ruf als ausgefuchster Politiker, dem in diesem Geschäft keiner etwas vormachen kann. Zudem genießt er Ansehen, als ausgewiesener Sparkommissar den Haushalt saniert zu haben und ist einer der beliebtesten deutschen Politiker.
Doch sein Nimbus bröckelt. Auf seinem ureigenen Gebiet als Jurist zeichnet er wesentlich verantwortlich für zig Milliarden schwere Steuerausfälle und schaut seit Jahren tatenlos dem neuesten schweizerischen Steuersparmodell zu.
Mit seinem umstrittenen ökonomischen Ansatz ist die „Sanierung“ Südeuropas dramatisch gescheitert. Gleichzeitig setzt er die Zukunft Deutschlands und Europas aufs Spiel und opfert für seine „schwarze Null“ den volkswirtschaftlichen Kapitalstock, der für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes von entscheidender Bedeutung ist.
1. Juristische Fehlleistungen
In seinem ureigenen Feld als Jurist hat er mit schlampiger Gesetzgebung Steuerausfälle von zig Milliarden zu verantworten. Mit der Brennelementsteuer hat er sich bis auf die Knochen blamiert und der deutsche Steuerzahler muss dafür mit 7 Mrd. € geradestehen. Trotz sehr früher Warnungen und Informationen durch Whistleblower hat er über Jahre cum/cum und cum/ex Geschäfte (Investoren haben sich Steuererstattungen, die ihnen einmal zustanden doppelt oder bis zu fünffach erstatten lassen) geduldet. Hier muss der Steuerzahler mit mindestens 32 Mrd. € geradestehen. Und der Finanzminister verschleudert weitere Millarden, da er das Zurückholen der Gelder bei betrügerischen Anlegern und Banken nur auf Gestaltungsmißbrauch aufbaut und den Zeitraum bis 2013 begrenzt.
Als im vergangenen Jahr die „Panama Leaks“ erahnen ließen, wie viele Billionen Dollar rund um den Erdball nicht der Versteuerung unterliegen, preschte Dr. Schäuble vor und kündigte unter großem Beifall nachhaltige Maßnahmen gegen diese Betrügereien an. Doch in der Realität ist das Gegenteil eingetreten. Immer wieder wirft er in der EU aber auch in Deutschland jenen Knüppel zwischen die Beine, die mehr Steuertransparenz fordern.
Ein Register welches die Offshore Steuerdumping Nationen härter angeht, bremst er aus, das deutsche Steuertransparenzregister ist ein Intransparenzregister geworden, die europäischen Versuche Großkonzerne hinsichtlich ihres steuerlichen Verhaltens zu kontrollieren, hat er geschickt verwässert. Und nicht zuletzt verweigert er sich, die so offensichtlichen Steueroasen in der EU (z.B. Malta, Luxemburg, Holland, Irland, Zypern) härter anzufassen. Immer steht Dr. Schäuble auf der Bremse, ganz anders, als er selbst jeweils mit ernster Miene glauben macht.
Vielleicht tut er dies auch nur, um zu verbergen, dass Deutschland – zuletzt als „russische Geldwaschmaschine“ in den Schlagzeilen – laut dem internationalen „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ auf Platz 7 der weltweiten Steuerparadiese steht, übrigens klar vor Panama, welches an 12. Stelle positioniert ist. hier
Als Peer Steinbrück zum Ende seiner Amtszeit noch „die Kavallerie ausreiten“ lassen wollte gegen das Schweizer Bankgeheimnis, hatte sich dieses ein Jahr später nahezu erledigt und viele Schwarzgelder wurden seither nicht immer freiwillig weißgewaschen.
Gleichzeitig trat 2011 ein Gesetz zur Unternehmenssteuerreform in der Schweiz in Kraft, welches ungeahnte Folgen zeitigte und die Schweiz erneut als Steuerparadies klassifiziert. Eigentlich sollten nur klein- und mittelständische Unternehmen von einer kleinen Ungerechtigkeit entlastet werden, doch schnell merkten die Multis, welche gigantische Steuersparmöglichkeit dort aufgetan wurde.
Nun konnte Aktienkapital in Kapitalreserven umgewandelt werden, die zukünftig sämtlichen eigentlich steuerpflichtigen Dividenden über 20 bis 30 Jahre steuerfrei stellen. Natürlich waren auch schnell die Banken und Vermögensverwalter in der Schweiz zur Stelle, die Ihren privaten und betrieblichen Mandanten maßgeschneiderte Modelle servierten. Inzwischen sind bis Ende 2016 Kapitalreserven von sage und schreibe über 1,7 Billionen € in der Schweiz aufgetürmt.
Nach Schätzungen des Schweizer Ökonomen Werner Vontobel dürfte rund ein Viertel davon aus Deutschland stammen. Danach drohen neben den milliardenschweren Steuerausfällen, die bisher bereits angefallen sind, weitere gut 100 Mrd. € Steuerausfälle für den deutschen Kassenwart. hier
In Verbindung mit Artikel 15 des deutsch-schweizerischen Doppel- besteuerungsabkommens, sind diese in der Schweiz nun steuerfreien Dividenden auch in Deutschland steuerfrei. Einige Finanzgerichte murren zwar, aber formaljuristisch ist nach den aktuellen Verträgen daran wohl nichts zu ändern. Dr. Schäuble schaut sich dieses Debakel nun seit sechs Jahren an, ohne etwas dagegen zu tun.
Dabei wären Gegenmaßnahmen sehr einfach. Wegen veränderter Geschäftsgrundlage kann der Finanzminister einfach das deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen in Artikel 15 kündigen und neu verhandeln.
Gern zitiert Dr. Schäuble diesen Ratschlag: „Ein jeder kehr‘ vor seiner Tür, und sauber ist das Stadtquartier.“ Vielleicht sollte er diese Weisheit einmal für sich selbst gelten lassen.
In seinem ureigenen juristischen Feld zeigt der Finanzminister Verantwortung für zig Milliarden schwere Steuerausfälle, was überhaupt nicht seinem verbreiteten Image des soliden Haushälters entspricht.
2. Ökonomische Irrtümer
Obwohl er Badener ist, findet sich das Credo von Dr. Schäuble in der vielzitierten „Schwäbischen Hausfrau“. Und in der Tat zeugen deren Implikationen von bestechender Solidität:
- Wir müssen die Schulden reduzieren und solide wirtschaften.
- Wir müssen unsere Ausgaben kürzen und sparen für Notlagen
- Gib nicht mehr Geld aus, als du hast.
- Sorge für einen ausgeglichenen Haushalt.
Aus Sicht des einzelnen Haushaltes oder eines einzelnen Unternehmers kann und muss man alle diese Thesen unterschreiben. Was der Jurist Dr. Schäuble nicht verstanden hat, zumindest nicht verstehen will ist, dass diese betriebswirtschaftliche Sicht (mikroökonomisch) ganz und gar nicht dabei hilft volkswirtschaftliche Entscheidungen (makroökonomisch) daraus abzuleiten. Das Gegenteil ist dann zumeist richtig.
Dr. Schäuble, so ist zu vermuten, hat Probleme, die Funktionalitäten des Kapitalismus, zumal aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, nachzuvollziehen und er scheint nicht der einzige Politiker mit Rang und Namen, der hier sehr deutliche Defizite aufweist. Auch bei der Kanzlerin scheint diese Lampe nicht sehr hell zu leuchten.
Schnellkurs – Wie funktioniert Kapitalismus?
Zunächst sind zwei ökonomische Kernsätze zu beachten, die offensichtlich regelmäßig übersehen werden. Selbst von einer Vielzahl von Leuten, die wie ich in der Finanzbranche tätig sind und von denen man erwarten müsste, dass derartige Essentials bekannt sind.
- Die Geldvermögen des Einen sind immer die Schulden des Anderen
- Die Ausgaben des Einen sind immer die Einnahmen des Anderen
Diese Kernsätze werden regelmäßig übersehen und machen schon hier klar, dass das Ziel einer “schwarzen Null“ bzw. die Einführung der Schuldenbremse von ungeheurer Schädlichkeit für den Kapitalstock einer Volkswirtschaft und damit für nachfolgende Generationen sind.
Realwirtschaftliche Schulden, des Staates und der Privaten, sind das Elixier und die Determinante von Wirtschaftswachstum (gute Schulden). Die seit den 80iger Jahren grassierende Auftürmung von Finanzschulden ohne realwirtschaftlichen Nutzen (schlechte Schulden), also der weit überwiegende Teil der Verschuldung der Welt, sind die Ursache von Finanzkrisen und Nullzinsen.
Hauptantriebsfeder des Kapitalismus ist der Verkauf und der Kauf, also der Handel. Hieraus resultiert alles andere im Guten wie im Schlechten. Der kapitalistische Kreislauf:
- Ausgaben erzeugen Einnahmen, Einnahmen erzeugen wiederum Ausgaben.
- Ausgaben erzeugen Absatz, Absatz erzeugt Produktion und Beschäftigung.
- Beschäftigung schafft Einkommen, Einkommen ermöglichen Ausgaben.
Immer wieder kommt es aber zu Störungen dieses Kreislaufes, sei es durch Naturkatastrophen oder Finanzkrisen. Staatliche Sparmaßnahmen zur Unzeit aber auch andere weniger gravierendere Ereignisse können hier bremsend wirken bzw. eine Umkehr einleiten. Dann lautet die Konsequenz:
- Weniger Ausgaben, weniger Einnahmen, weniger Absatz
- Weniger Produktion, weniger Investition, weniger Beschäftigung
- Weniger Steuer- und Sozialeinnahmen, höhere Schulden
Die spannende Frage ist, wie der Kreislauf nach unten zu stoppen ist. Keinesfalls so, wie es Dr. Schäuble und die Troika für Südeuropa seit 7 Jahren empfehlen und umsetzen – nämlich staatliche Sparprogramme. Diese haben ungeheuren Schaden angerichtet und die Programmländer um Jahrzehnte zurückgeworfen.
Die sog. Eurorettungspolitik für die Programmländer Südeuropas, die ganz wesentlich der Architektur von Dr. Schäuble folgte, hatte zum Ziel die Staatsschuldenquote um 20% zu reduzieren. Tatsächlich ist diese im Schnitt um 20% gestiegen. Einer Studie dreier Ökonomen (Prof. House und Tesar, Uni Michigan und Prof. Proepsting, Uni Lausanne) zufolge, wäre ohne die Maßnahmen der Troika das Sozialprodukt nur um 1% gefallen, statt wie tatsächlich im Schnitt um 18%. Auch die Arbeitslosigkeit wäre deutlich geringer ausgefallen ohne diese vollkommen unsinnige Sparpolitik. Man hat die Länder nicht gerettet, sondern in ungeheurem Ausmaß geschädigt.
Wesentlich verantwortlich für dieses Desaster zeichnet der deutsche Finanzminister Dr. Schäuble, nach dessen Pfeife die Eurogruppe (offizieller Vorsitzender ist der Holländer Dijsselbloem, ein treuer Adlatus von Schäuble) und die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF.
Während die EZB und der IWF inzwischen längst ihre Fehler erkannt haben und versuchen unter Gesichtswahrung die Richtung etwa in der Griechenlandkrise zu ändern, bleibt Dr. Schäuble seinen Irrtümern verhaftet. Nachfolgend daher nochmals in Zahlen das Desaster, welches die „Rettungspolitik“ angerichtet hat. Nicht dass Sie mich falsch verstehen. Griechenland hat sich selbst durch schlechte Wirtschaftspolitik und sagen wir ein sehr nachlässiges Verhältnis in Sachen Steuerehrlichkeit in diese schwierige Situation gebracht. Das bedeutet aber nicht, dass man das Land vernichten muss.
Durch diese vollkommen falsche Wirtschaftspolitik ist das griechische Sozialprodukt (BIP) nach 2009 bis 2016 um nicht weniger als 41,4% gefallen. Obwohl die Staatsverschuldung nominell nur um 5,6% stieg, erhöhte sich die Staatsschuldenquote um 80,3% auf unhaltbare 163,9%. Die Arbeitslosigkeit stieg um 147,9% auf jetzt 23,8%, die Jugendarbeitslosigkeit liegt noch immer über 50%. Obwohl sich die Steuerquote deutlich erhöht hat, sind die Steuereinnahmen wegen des deutlich niedrigeren BIP um 26% gesunken. Nur die Neuverschuldung hat Dr. Schäuble in den Griff bekommen, aber zu welchem Preis…?
Die Mission von Dr. Schäuble ist es durch solides Wirtschaften das Vertrauen der Investoren zu gewinnen, die durch Investitionen die Wirtschaft wieder in Gang bringen. Und so wartet er, bislang und wohl auch in Zukunft vergeblich, auf die „Confidence Fairy“ eines „soliden“ Haushalts, welche private Investitonen in Gang setzen sollen. Er dürfte hierauf so vergeblich warten, wie auf Godot, die Zahnfee oder den Weihnachtsmann. Die kommen alle nicht.
Wirtschaft ist ganz einfach. Wird mehr Geld ausgegeben, gibt es Wachstum. Wird weniger ausgegeben, gibt es Rezession. Und alles Geld was es zum Ausgeben gibt, kann in einem Kreditgeldsystem nur durch Kredite entstehen. Nutzt man diese Kredite jedoch wie die Finanzindustrie mittels „selbstreferenzieller Glasperlenspiele“ zum Aufbau von Schuldentürmen in den Banktürmen , dann kommt das System ins Wanken. Nutzt man die Kredite hingegen zu produktiven Investitionen, dann verbessert sich der Kapitalstock einer Volkswirtschaft. Und nur darum kann es gehen, wenn man für künftige Generationen vorsorgen möchte.
Schwarze Nullen
„Schwarze Nullen“ sind hingegen in einem Kreditgeldsystem theoretisch und praktisch unmöglich und lassen sich nur realisieren, wenn sich das Ausland verschuldet. Die Verschuldung des Auslands stellt das Äquivalent zum Exportüberschuss dar. Es impliziert die Verschuldung unserer EWU Partner und auch anderer Handelspartner wie die USA (keine Theorie, sondern buchhalterische Identität, die man durch Beherrschung der Grundrechenarten schon verstehen kann). Die hierdurch erzeugten Ungleichgewichte werden den Euro mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Bersten bringen, mit allen Folgen für die sowieso am Stock gehende Europäische Gemeinschaft. Und Dr. Schäuble kann sich dann ans Revers heften, der Zerstörer Europas zu sein.
„Die Schuldenbremse sowie die schwarze Null sind der ökonomische Super-GAU und werden Europa radikalisieren. Es ist die Saat für ein politisches und ökonomisches Desaster. Wir sollten dies nicht weiter zulassen. Es wäre die größte untilgbare Schuld, die wir unseren Kindern hinterlassen könnten.“ (Michael Stöcker – Geldsystemexperte)
Dr. Schäuble möchte seine Misserfolge nicht zur Kenntnis nehmen, sondern beharrt darauf, seine fehlerhafte Politik mit den gleichen Maßnahmen weiterzuführen. Vielleicht sollte er Hilfe suchen bei Albert Einstein, der erkannte:
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“