Flüchtlingskrise und Ihre Ursachen

Der seit Sommer noch zunehmend anschwellende Flüchtlingsstrom aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens, aus Afrika und den Balkanländern hat vielschichtige Ursachen: Bürgerkriege, Terror, Diktaturen, Hungerkatastrophen, Perspektivlosigkeit. Jedes Land und jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, seine eigene Erklärung.

Ein gemeinsames Muster ist aber klar zu erkennen, denn fast alle Flüchtlinge kommen aus gescheiterten Staaten. Dafür gibt es politische und ökonomische Gründe. Wir wollen uns hier kurz mit politischen Ursachen, die immer auch ökonomisch begleitet werden und ausführlicher mit den ökonomischen Gründen beschäftigen. Nur wenn Ursachen erkannt sind und man sich an deren Behebung begibt, ist man in der Lage die Flüchtlingsströme aufzuhalten. Zäune werden die Wanderung höchstens behindern, aber nicht verhindern. Und es ist offensichtlich nicht jedem klar, dass die derzeitigen Bewegungen nur die Vorhut dessen sind, was in den nächsten Jahrzehnten auf uns zukommt.

Nahostpolitik des Westens komplett gescheitert

Nach den Anschlägen der Al Qaida vom September 2001 hat sich der Westen unter Führung von Amerika das Ziel gesetzt, demokratische Strukturen in den arabischen Ländern Vorderasiens und Nordafrikas zu implementieren. Das Interesse der USA war auch deswegen so groß, weil die dort liegenden Ölvorkommen von überragender Wichtigkeit für die westlichen Industrienationen waren und sind.

Tatsächlich konnten über diverse Kriege in Afghanistan, dem Irak und Lybien deren Diktatoren vertrieben bzw. getötet werden. Über den arabischen Frühling kamen dann weitere Machthaber zu Fall (Mubarak) oder verloren Ihren Staat (Assad).

Nur, was hat sich in der Region und diesen Ländern zum Besseren gewendet? Nichts! Überhaupt nichts! Im Gegenteil hat sich der Zustand diverser Staaten katastrophal entwickelt. Man hat „Failed States“ produziert und keine Idee, wie man das Desaster meistern soll.

Gleichzeitig macht der Westen beste Geschäfte (auch Waffenlieferungen) mit Saudi-Arabien und Katar, zweier Klepotokratien, die den IS wesentlich finanzieren und man hat mit der Türkei einen NATO-Partner, über den der IS seine Ölverkäufe abwickelt. Und in dieser Situation tritt nun auch noch Putin auf den Plan und möchte mit seiner Methodik „helfen“, das Problem zu lösen. Wer da noch optimistisch bleibt, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.

Aus gescheiterten Staaten, die sich zudem im Krieg befinden, werden Flüchtlinge so lange ausströmen, bis keine mehr da sind.

Ökonomische Gründe für Fluchtbewegungen

Die jüngere Geschichte der Entwicklungspolitik wurde in den 1980er Jahren implementiert und kann heute getrost als gescheitert eingeordnet werden. Die Ökonomen von Weltbank und IWF haben Entwicklung vor allem als ein Problem des Transfers von Technologie gesehen. Deshalb haben sie versucht, den Entwicklungsländern durch die Ansiedlung von internationalen Konzernen zum Sprung nach vorne zu verhelfen. Zu diesem Zweck müsse man, so die Berater,  das Entwicklungsland für das ausländische Kapital attraktiv machen. Was das konkret bedeutet wurde später im „Washingtoner Consensus“ festgehalten: Freie Kapitalmärkte, freier Handel, Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, Deregulierung, tiefe Löhne, Privatisierung und Sparprogramme des Staates.

Freihandel oder staatliche Industriepolitik

Mit den oben beschriebenen Programmen und einer vollständig anzustrebenden Handelsliberalisierung versuchten die Berater aus IWF und der Weltbank in den letzten 30 Jahren insbesondere die Länder Lateinamerikas und Afrikas südlich der Sahara entwicklungspolitisch  voranzubringen. Der heutige Chef des „Eurorettungsschirmes“ (ESM) Klaus Regling war übrigens damals wesentlich an der Umsetzung dieses Programmes als IWF Berater beteiligt.

Wir können jedoch empirisch klar belegen, dass die den Maßnahmen zugrunde liegende Freihandelstheorie eindeutig nicht zu positiver Entwicklung beigetragen hat. Im Gegenteil, hat sich der Abstand zu den entwickelten Ländern deutlich ausgeweitet.

Tatsächlich gibt es für erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung andere, empirisch klar belegte Gründe, welche Nationen voranbringen. Dafür sind im Wesentlichen vier Voraussetzungen zu nennen:

  • Größenvorteile (Industrialisierung)
  • Technologische Veränderungen (Innovationen)
  • Zugang zu inländischen Krediten
  • Abschottung (Zölle) vor ausländischer Konkurrenz, wenn das Ausland technologisch weiter ist

Zum Anstoß positiver Entwicklung hat sich staatliche gezielte Industriepolitik zumeist als sehr effizient erwiesen.

Die asiatischen Länder wie z.B. Japan, Korea und zuletzt China (auch für andere asiatische Tiger gilt dies) haben sich nicht an die Vorgaben von IWF und Weltbank gehalten. Sie haben sich gezielt Staatsinterventionen auf die Fahnen geschrieben. Japan war damit lange sehr erfolgreich, bis es zur neoliberalen Agenda wechselte.

Korea hat ohne vorheriges Know How und ohne Rohstoffe staatlich angestoßen in Stahl- und Schiffsbau, in Autoindustrie und Elektronik investiert und beheimatet heute zahlreiche Weltmarktführer (z.B. Hyundai, Samsung). China ist alles andere als eine freie Marktwirtschaft, hat gezielt staatlich investiert, hat sich massiv nach außen geschützt und stetig die Mindestlöhne erhöht.

Auch in Deutschland gibt es solche Erfolgsgeschichten. Das Agrarland Bayern hat seine wirtschaftliche Prosperität weniger durch Freihandel gewonnen, sondern durch gezielte staatliche Industrieansiedlung. Ähnliche Erfolgsgeschichten aus Südamerika oder Afrika sind in den letzten 30 Jahren nicht zu vermelden gewesen.

USA und UK – Vorbilder für Freihandel?

Als Kernländer des freien Marktes gelten heute Großbritanien und vor allem die USA. Und man sollte annehmen, dass sich gerade diese Länder über die letzten 200 bis 300 Jahre mittels Freihandel industriealisiert und an die Spitzenposition weltweit gesetzt haben.

Manche Amerikaner nennen ihre Dollarscheine – dem Synonym für den freien Markt – „dead presidents“. Zwar waren nicht alle abgebildeten Persönlichkeiten (z.B. Benjamin Franklin) US-Präsident, aber alle Persönlichkeiten auf amerikanischen Dollarscheinen hatten eines gemeinsam. Sie traten energisch für Protektionismus, z.T. Verstaatlichung, Subventionierung und Regulierung ein. Die USA sind groß geworden durch Protektionismus und betreiben diese Politik entgegen der Sonntagsreden noch heute sehr intensiv.

Auch die Industriealisierung der Briten ist nicht im freien Markt erfolgt, sondern mit Subvention und Abschottung der Wollindustrie und heute schützt eine große Glocke ihre wichtigste Industrie, das zerstörerische Finanzcasino der Londoner City.

In Deutschland wurde der industrielle Rückstand zu den Briten schnell abgebaut, nachdem der Ökonom Friedrich List den Deutschen Zollverein (1833) mit freiem Binnenmarkt, aber Zollgrenzen nach außen durchsetzte. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts überholte man die Briten sogar.

Schimäre Freihandel

Betrachtet man die historischen Entwicklungen zum wirtschaftlichen Erfolg von Nationen, so ist festzustellen, dass die 200 Jahre alte Theorie des  englischen Ökonomen und erfolgreichen Exportunternehmers David Ricardo über die „Segnungen“ des freien Handels als großer Trugschluss entlarvt worden ist.

Beim Freihandel kommt es auf die wirtschaftliche Stärke der Länder (Terms of Trade), aber auch der beteiligten Unternehmen an. Divergieren diese, so ist empirisch belegt fast immer die starke Nation, das starke Unternehmen der Sieger.

Dennoch unterstützt sowohl die EU – angefeuert von mehr als 20.000 Lobbyisten insbesondere der Groß- und Finanzindustrie in Brüssel – wie auch die USA vorbehaltlos die Freihandelsideologie.

Freihandel zerstört Afrika

Erst letztes Jahr hat die EU ein Freihandelsabkommen (EPA) mit mehreren afrikanischen Staaten abgeschlossen. Das EPA fordert die afrikanischen Länder auf, ihre Märkte bis zu 83 Prozent für europäische Importe zu öffnen und hierbei schrittweise Zölle und Gebühren abzuschaffen.

Im Gegenzug erhalten afrikanische Unternehmen zollfreien Zugang zum europäischen Markt. Viele afrikanische Staaten sträubten sich jedoch gegen die Unterzeichnung von EPA, weil sie unter anderem fürchteten, den Handelswettbewerb gegen europäische Unternehmen zu verlieren. Auch Kenia verweigerte die Unterschrift. Daraufhin verhängte die EU in erpresserischer Weise Einfuhrzölle auf mehrere wichtige kenianische Produkte. Am Ende knickte das Land ein und unterschrieb.

Die Folge wird sein, dass die afrikanischen Länder mit unseren Exporten überschwemmt werden und deren Bauern, Kleingewerbetreibende und die zumeist technologisch rückständige Industrie den Kürzeren ziehen wird.

Und wir wundern uns, warum sich die Leute, die so ihre Einkommens-möglichkeiten verlieren, auf den beschwerlichen Weg nach Europa machen. Wir, unser Wohlstand und unsere fatale Wirtschaftspolitik sind Schuld daran. Es ist unfassbar, dass unsere Politiker die Einflüsterungen der Lobbyisten 1:1 übernehmen und damit eine derartig menschenverachtende Politik betreiben.

200 Mio. Klimaflüchtlinge erwartet

Die UNO prognostiziert zudem ca. 200 Millionen Menschen, die sich in den nächsten dreißig Jahren von der Südhalbkugel auf den Weg zur Nordhalbkugel machen. Die Klimaveränderungen werden Ihnen die Lebensgrundlagen rauben. Die westlichen Industrienationen, also wir alle, sind leicht als Verursacher auszumachen, stetig angefeuert vom Freihandelsdogma.

TTIP – das sog. Freihandelsabkommen

Jeder Interessierte weis inzwischen, welch fatales Ergebnis mit dem TTIP Abkommen zwischen EU und USA erzielt werden soll. Es geht nicht um Freihandel zwischen gleich starken Partnern, es geht um die Unterwerfung der Gesetzgeber unter die Interessen der Großindustrie und damit um die schleichende Abschaffung der Demokratie.

Es gibt zwischen Rechtsstaaten keinen einzigen Grund für eine Investitionsschutzabkommen, dass den Bürgern nützen könnte. Der amerikanische Ökonomienobelpreisträger Stiglitz hat das Ansinnen seines Landes klar formuliert. Es geht um die Unterwerfung der Partner unter die amerikanischen Konzerne. Denn in den geheimnisumwitterten Vertragsverhandlungen, nicht mal Parlamentarier haben Einblick, ist u.a. vorgesehen, dass Gesetzesentwürfe künftig darauf überprüft werden, ob sie den Interessen von Konzernen schaden können. Wollen das unsere politischen Führer wirklich?

Von wirtschaftlichen Vorteilen des Akommens für die Bürger reden inzwischen wohl nur noch Interessenvertreter sowie Politiker, welche vermutlich noch an den Weihnachtsmann glauben. Schon das NAFTA Abkommen (USA, Kanada, Mexiko) aus 1994 hat mindestens 600.000 Arbeitsplätze vernichtet, vielen Mexikanern die Lebensgrundlage entzogen (Flucht ind die USA) und eine riesige Zahl kleiner Betriebe scheitern lassen.

Wohlstand für Alle?

Ich gehe sehr konform mit Ludwig Erhards Credo von sozialer Marktwirtschaft: „Wohlstand für Alle!“ Mir scheint, dass dieses Credo nur noch in Sonntagsreden gilt. Die Realität der Freihandelsideologie meint wohl eher: „Wohlstand für alle Banker, Industriekapitäne und Rentiers!“